Jasvin, du wurdest mir damals von einer gemeinsamen Freundin vorgestellt, und seither waren unsere Begegnungen auf Bühnen oder in Podcasts stets so inspirierend, dass ich wertvolle Weisheiten mit in mein Leben genommen habe. Vor allem: „No doesn’t mean never, it just means not now!“
Du bist Ingenieurin, Tech-Philosophin und in deinem „Think-&-Do“-Tank baust du Brücken in die Zukunft. Was glaubst du, wo wir heute stehen? Sind wir im Web3 angekommen?
Wie schaffst du es, diese Brücken zu bauen?
Ich glaube, Web3 hat ein „Why-Problem“. Web3 wird oft fälschlicherweise nur mit Kryptowährungen, Betrug oder Affenbildern assoziiert. Dabei ist Web3 viel mehr als das: Es bildet eine dezentrale Peer-to-Peer-Infrastruktur, die zweckorientierte und von der Gemeinschaft geführte Ökonomien unterstützt.
Durch sogenannte Initial Coin Offerings (ICOs) wurden neue blockchainbasierte Einheiten geschaffen und deren anfängliche Tokens verkauft. Diese Erstangebote haben theoretisch einen Wert, der im Laufe der Zeit steigen sollte, wenn die auf der Blockchain basierende Anwendung erfolgreich ist. Allerdings sind rund 90 % aller bisherigen ICOs gescheitert, da der Kernaspekt der Wertschöpfung noch nicht vollständig funktioniert. Hierbei spielt die Frage nach dem „Warum“ eine entscheidende Rolle.
Daher stehen wir in Bezug auf das Potenzial von Web3-Technologien noch ganz am Anfang – und sind dank klarer Regulierung seitens der EU auf einem guten Weg. Außerdem hat der aktuelle KI-Hype Web3 etwas geschadet, insbesondere durch die Umlenkung von Investitionskapital. Gleichzeitig denke ich jedoch, dass das Vertrauensproblem von Künstlicher Intelligenz durch die Authentifizierungs- und Verifizierungsmechanismen des Web3-Raums gelöst werden könnte. Angesichts dessen könnte die Kombination dieser Technologien von großer Bedeutung sein und der Web3-Bewegung helfen, ihren eigenen Sinn und ihr „Why“ zu finden.
Du hast praktische Erfahrung bei internationalen Web3-Hackathons. Was hast du daraus gelernt?
Es war mir wichtig, die Web3-Creator-Economy direkt an der Basis zu erleben, um die Grundprinzipien dieser Bewegung wirklich zu verstehen. Deshalb habe ich zusammen mit Entwicklern und Experten des Ökosystems auf internationalen Hackathons in Miami, Lissabon und Toronto Lösungen gebaut.
Was mir als ehemaliger IT-Entwicklerin sofort aufgefallen ist: In Web3 verschmelzen Technologie und finanzielle KPIs zu einem neuen Entwicklungsprozess. Jede Operation im Web3 hat ihren Preis (z. B. Gas Fees auf Ethereum) und genau deshalb spielen Effizienz und Ressourcenmanagement hier eine noch viel größere Rolle als in der klassischen Softwareentwicklung. Mindestens genauso prägend ist die Community.
Im Web3 geht es nicht nur darum, digitale Produkte zu launchen, sondern ganze Ökosysteme aufzubauen, die Ideen lebendig halten und weiterentwickeln. Dazu kommt der spannende Ansatz, traditionelle Branchen wie die Finanzwirtschaft, Klima & Nachhaltigkeit, Gesundheit, Wissenschaft oder Infrastruktur neu zu denken – durch blockchaingetriebene Bereiche wie DeFi, ReFi, DeSci oder DePin. Immer mit einem starken Creator-Economy-Vibe.
Für mich ist die Blockchain vor allem eine dezentrale Verbindung, die keine Grenzen kennt. Um so mehr interessiert mich, wo siehst du die grenzenlosen Möglichkeiten?
Wir leben in einer Zeit, in der Daten zu unserem wertvollsten Kapital geworden sind. Genau hier setzt Web3 an. Es kann einen Rahmen schaffen, der sowohl faire Vergütung als auch echte Teilhabe ermöglicht. Durch Blockchain-Technologie wird digitales Eigentum neu definiert, Eigentumsübertragungen sind transparent nachvollziehbar, und Teilnehmer werden für ihren Beitrag zur Stabilität des Ökosystems belohnt. Im klassischen Web2 sehen wir das Gegenteil. Entwickler, Aggregatoren und Nutzer sind stark von den Regeln zentraler Plattformbetreiber abhängig, oft sogar in direkter Konkurrenz zu ihnen.
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Da diese Betreiber zugleich die entscheidenden Daten und die Infrastruktur kontrollieren, haben unzufriedene Nutzer kaum realistische Ausweichmöglichkeiten. Web3 hingegen baut auf offenen Protokollen auf. Besonders spannend finde ich die sogenannte “Komponierbarkeit”: Anwendungen lassen sich wie Bausteine kombinieren, erweitern und wiederverwenden. Das schafft eine hohe Interoperabilität nicht nur zwischen Blockchain-Anwendungen, sondern auch im Zusammenspiel mit Technologien wie KI.
Gerade jetzt, im Zeitalter von GenAI und LLMs, wo Inhalte fast kostenlos produziert werden können, steigt die Bedeutung von Mechanismen zur Unterscheidung zwischen authentischen und manipulierten Inhalten enorm. Genau an dieser Schnittstelle zwischen AI und Web3 entstehen derzeit viele spannende Projekte, die das Potenzial haben, unser digitales Ökosystem nachhaltig zu verändern.
Du hast einen sehr breiten Background zwischen Tech- und Gesellschaftsthemen. Wie bringst du das zusammen?
Ich habe früh gelernt, dass Technologie nie im luftleeren Raum passiert, sie verändert immer auch Menschen, Arbeitsweisen und ganze Branchen. Als Systemingenieurin habe ich erlebt, wie klassische Speichernetzwerke plötzlich von der Cloud abgelöst wurden und mit einem Schlag ganze Teams obsolet wurden. Später in der Automobilindustrie zeigte sich derselbe Wandel: Das Auto war nicht länger nur ein Fortbewegungsmittel, sondern wurde zum fahrenden Computer. Begriffe wie autonomes Fahren und Elektrifizierung haben die Branche auf den Kopf gestellt. Diese Erfahrungen haben mich geprägt.
Bei aller Faszination für technische Innovationen am Ende muss immer der Mensch im Mittelpunkt stehen. Heute sehe ich meine Aufgabe nicht nur darin, Unternehmen durch digitale Transformationen zu begleiten.
Als Tech-Philosophin ist es meine Mission, Technologie mit Sinn, Werten und Verantwortung zu verbinden und so die Brücke zu schlagen zwischen Bits & Bytes auf der einen Seite und Menschlichkeit & Zukunftsfähigkeit auf der anderen. Genau das tue ich in Keynotes, Seminaren und Workshops, in denen ich Unternehmen und Führungskräften nicht nur die neuesten Technologien erkläre, sondern vor allem aufzeige, wie man sie in Einklang mit Menschen, Kultur und Zielen bringt. So wird aus digitalem Wandel nicht nur ein technisches Projekt, sondern ein gemeinsamer Entwicklungsschritt.
Viele sprechen über Web3 als Chance für mehr Gleichberechtigung. Was muss passieren, dass wir wirklich gleichberechtigt Zugang bekommen?
Wenn man sich die Entwickler und Akteure im Web3-Ökosystem anschaut, fällt auf: Die meisten sind Autodidakten. Es gibt keine elitären Uni-Netzwerke, keine etablierten Studiengänge und auch keine speziellen geografischen Hotspots, die die Macht in dieser Bewegung bündeln. Gerade deshalb ist Web3 so bedeutend.
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Zum ersten Mal haben Menschen, egal ob nördlich oder südlich des Äquators, die Chance, einen echten Platz am Tisch einzunehmen. Lösungen entstehen, die nicht auf ein Land oder einen Kontinent beschränkt sind, sondern global wirken können. Mit dem Aufkommen generativer KI wird diese Inklusivität noch kraftvoller. Diese Technologie ist nicht an ein Silicon Valley in einem einzigen Land gebunden, sie hat das Potenzial, in jedem Haushalt weltweit ein kleines eigenes Silicon Valley entstehen zu lassen. Und genau das ist für mich wahre Inklusivität.
Was bedeutet Mut für dich persönlich? Warst du mutig, als du gegründet hast?
Der Schritt ins Unternehmertum war für mich ein mutiger Schritt. Schnell wurde mir klar, dass das Leben als Gründerin in Deutschland anders wahrgenommen wird als beispielsweise in den USA. Meine Situation als Selbstständige brachte mir nicht mehr die gewohnte finanzielle Sicherheit, und ich musste lernen, mich darauf einzustellen.
Hinzu kam die neue, teils komplexe Bürokratie, die viel Einsatz erforderte. Letztlich stellte sich für mich nur noch eine entscheidende Frage: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Dieses Gefühl, am richtigen Punkt angekommen zu sein, motivierte mich, meinen eigenen Weg konsequent weiterzugehen.
Was würdest du jemandem raten, der oder die heute in Krypto einsteigen will – aber nicht weiß, wo anfangen?
Mein Tipp: Ein bisschen in die Geschichte und die Hintergründe der Web3- & Krypto-Welt eintauchen. Bei so vielen unberechenbaren Akteuren und den ständigen Hype- und Crash-Zyklen ist es absolut Pflicht, selbst zu recherchieren (“Do Your Own Research”). Man sollte die ganze Sache eher angehen wie das Entdecken einer neuen Finanztechnologie, statt sofort auf den „schnell-reich-werden“-Zug aufzuspringen.
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Am besten fängt man an, indem man seine eigene Wallet einrichtet und die erste Transaktion mit einem winzigen Betrag ausprobiert, einfach um ein Gefühl für das Ökosystem zu bekommen. Dann lohnt es sich, die verschiedenen Blockchains und die neuesten Projekte im Blick zu behalten. Meiner Meinung nach hält ein aktives, aber risikoarmes Engagement in so einem neuen Finanzuniversum uns auf dem Laufenden, was die spannendsten Entwicklungen in Finanzen und Technologie angeht.
Trinkst du eigentlich Matcha und wo gibt es den Besten in deiner Stadt? Alternativ auch Lieblingscafe.
Ich bin eigentlich kein Matcha-Typ und bleibe lieber einer heißen Tasse guten schwarzen Kaffees treu. Aber zu einem Matcha-Cheesecake im ChiaChia’s Café am Isartorplatz in München würde ich trotzdem niemals nein sagen
Jasvin ist Ingenieurin, Tech-Philosopin und Gründerin von bridge.the.NEXT( ), einem Münchner „Think-and-Do“-Tank für digitale Zukünfte. Sie berät Start-ups, Unternehmen, Regierungen und Akademien zu KI, Blockchain, Future of Work und digitaler Transformation und ist eine gefragte Speakerin. Zudem engagiert sie sich als Mentorin für Führungskräfte und veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu den Auswirkungen neuer Technologien. Zuvor arbeitete sie international als Business Leaderin und Strategieberaterin in Technologie-, Banken- und Automobilsektor.
- Mehr zu Jasvin: https://www.linkedin.com/in/jasvinbhasin/
Die in diesem Interview geteilten Inhalte stellen keine Finanz-, Anlage- oder Rechtsberatung dar. Es handelt sich um persönliche Erfahrungen, Meinungen und Einschätzungen von Jasvin Bhasin. Jeder ist aufgefordert, sich selbständig zu informieren und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen – insbesondere im Umgang mit der Verwahrung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen.