Mahsa, bei unserer ersten Begegnung hast du mir gesagt, dass du mich inspirierend findest. Die Wahrheit ist aber: Ich bewundere dich – für deinen Weg, für deine Beständigkeit und für dich als Vorbild für andere. Bevor ich dir die erste Frage stelle, wollte ich dir das sagen.

Was waren für dich die prägendsten Stationen auf deinem Weg in den Krypto- und Web3-Bereich und was hat dich jeweils angetrieben?

Meine Reise in den Blockchain-Bereich begann im Jahr 2019. Anfangs lag mein Fokus hauptsächlich auf dem Krypto-Trading – es ging vor allem darum, Gewinne zu erzielen. Ich hatte damals noch kein Verständnis für das volle Potenzial der zugrunde liegenden Technologie. Doch als COVID ausbrach und wir plötzlich mehr Zeit zu Hause hatten, begann ich, mich intensiver mit der Welt der Blockchain auseinanderzusetzen. Dabei wurde mir klar, dass Kryptowährungen nur einer von vielen Anwendungsfällen sind und dass die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie weit darüber hinausgehen. Das war ein Wendepunkt für mich – ich wusste, dass ich Teil dieser Welt sein wollte. Von diesem Moment an beschloss ich, meine berufliche und akademische Laufbahn ganz der Blockchain-Branche zu widmen.

Während meines Lernprozesses begann ich, edukative Inhalte – Videos und Artikel – zu erstellen. Das half mir nicht nur, mein Wissen zu vertiefen, sondern auch anderen, insbesondere Frauen, den Einstieg in die Branche zu erleichtern und sie Schritt für Schritt mit auf meine Reise zu nehmen. Ich begann auch, an Blockchain-Konferenzen teilzunehmen und aktiv mit Pionier:innen der Branche auf LinkedIn zu netzwerken. Diese Sichtbarkeit führte zu neuen Chancen: 2022 wurde ich von einem DeFi-Projekt aus Hamburg namens Paycer eingeladen, als Marketing-Managerin einzusteigen. Diese Rolle markierte den offiziellen Beginn meiner Karriere im Blockchain-Bereich.

Später wechselte ich in den Venture-Capital-Bereich und schloss mich coinIX an, einem Blockchain-Investmentunternehmen mit Sitz in Hamburg. Bei coinIX ist es unsere Mission, allen Menschen den Zugang zu digitalen Vermögenswerten zu erleichtern und den Aufbau eines diversifizierten Blockchain-Portfolios zu ermöglichen. Es ist bisher eine spannende Reise gewesen, und ich bin angetrieben von der Überzeugung, dass Blockchain das Potenzial hat, ganze Branchen neu zu gestalten, Gemeinschaften zu stärken und weltweit gerechtere Systeme zu schaffen.

Du sprichst oft über Selbstermächtigung. Welche Rolle spielt Krypto in diesem Zusammenhang für dich? Besonders mit Blick auf deine persönliche Geschichte.

Für mich bedeutet Selbstermächtigung, die Kontrolle über die eigene Zukunft zu übernehmen – finanziell, beruflich und geistig. Krypto spielt dabei eine große Rolle. Ich komme ursprünglich aus dem Iran, wo das Finanzsystem stark isoliert ist. Es ist praktisch unmöglich, Geld über traditionelle Bankwege international zu senden oder zu empfangen.

Trotz politischer Spannungen und staatlicher Einschränkungen konnte ich jedoch Peer-to-Peer-Transaktionen mit Freunden und Familie im Iran über Ethereum durchführen. In der Blockchain-Welt spielt es keine Rolle, wer man ist, woher man kommt oder ob das eigene Land sanktioniert ist – jede:r hat die Freiheit, Transaktionen ohne Eingriff Dritter durchzuführen.

Dieses Gefühl von finanzieller Unabhängigkeit und grenzenlosem Zugang ist unglaublich kraftvoll. Es hat mir gezeigt, wie echte finanzielle Inklusion aussehen kann und bestärkte meinen Glauben an das transformative Potenzial der Blockchain-Technologie. Besonders als Frau in der Tech-Branche habe ich Krypto als einen Raum erlebt, in dem ich lernen, beitragen und etwas Sinnvolles nach meinen eigenen Bedingungen aufbauen kann. Deshalb liegt mir viel daran, Wissen zu teilen und anderen – besonders Frauen – zu helfen, dasselbe Gefühl der Selbstermächtigung zu entdecken, das mir Krypto gegeben hat.

Krypto wird oft als unpolitisch oder technokratisch dargestellt. Kann Krypto politisch genutzt werden?

Ja, Krypto kann definitiv für politische Zwecke genutzt werden. Zum Beispiel haben sowohl der Iran als auch Russland eigene Stablecoins und digitale Währungen entwickelt, um internationale Sanktionen zu umgehen und mehr Kontrolle über ihre Finanzsysteme zu gewinnen. Diese Entwicklungen zeigen, wie Regierungen Blockchain-Technologie einsetzen können, um politische und wirtschaftliche Ziele auf globaler Ebene zu verfolgen.

Andererseits spielte Krypto während des Russland-Ukraine-Kriegs eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Ukraine. Viele Spenden in Kryptowährungen wurden an ukrainische Organisationen geleistet, wodurch schnelle und grenzüberschreitende finanzielle Hilfe möglich wurde, indem die traditionelle Bank Restriktionen umging. Dies zeigte das Potenzial von Krypto als Instrument für politischen Aktivismus und humanitäre Unterstützung.


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Natürlich kann Krypto, wie jede Technologie, für gute und schlechte Zwecke verwendet werden. Einige Regierungen haben Krypto für Geldwäsche genutzt. Diese Missbräuche machen die Technologie selbst jedoch nicht ungültig — Korruption gibt es in allen Branchen, aber wir verurteilen nicht alle Sektoren deswegen.

Letztendlich ist Krypto ein mächtiges Werkzeug, das für politische Zwecke eingesetzt werden kann, sowohl positiv als auch negativ. Es liegt an der Gemeinschaft, den Regulierungsbehörden und den Nutzern, diese Herausforderungen zu meistern und die Technologie zu einem inklusiven und ethischen Gebrauch zu führen.

Viele sprechen über Krypto als Chance für mehr Gleichberechtigung. Was muss passieren, damit es mehr als nur ein Buzzword ist?

Damit Krypto mehr als nur ein Buzzword wird, braucht es vor allem echte Zugänglichkeit und Bildung. Technologie allein reicht nicht aus, wenn Menschen nicht verstehen, wie sie funktioniert oder wie sie sie sicher nutzen können.

Niedrigschwellige Angebote sind notwendig, um besonders unterrepräsentierte Gruppen wie Frauen oder Menschen aus wirtschaftlich benachteiligten Regionen einzubeziehen. Gleichzeitig müssen technische, finanzielle und kulturelle Barrieren abgebaut werden.

Regulatorische Klarheit ist ebenfalls wichtig, um Vertrauen zu schaffen und seriöse Projekte zu fördern, ohne dass Betrug oder Unsicherheit den Fortschritt behindern. Eine starke Community, die Vielfalt aktiv unterstützt und sich gegenseitig stärkt, ist ebenfalls entscheidend. Nur so kann Krypto zu einem echten Instrument für Gleichberechtigung und Teilhabe werden — jenseits von Hype und Schlagworten.

Was sind eigentlich dein alltäglichen Berührungspunkte mit Krypto?

Bei coinIX verwalten wir einen aktiv gemanagten, liquiden Krypto-Fonds mit Fokus auf Altcoins. Wir sind ständig auf der Suche nach vielversprechenden Token mit langfristigem Potenzial. Darüber hinaus suchen wir im Rahmen unserer VC-Investments auch gezielt nach Blockchain-Startups, die nicht unbedingt bereits einen eigenen Token haben.

Wir nehmen regelmäßig an Blockchain-Konferenzen teil, pflegen ein starkes Netzwerk und haben Zugang zu einer Vielzahl an Pitch-Decks. Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit besteht darin, Projekte sorgfältig zu analysieren und diejenigen auszuwählen, die strategisch am besten in unser Portfolio passen.


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Ich persönlich betreibe kein aktives Trading – ich verfolge einen langfristigen Ansatz, halte meine Investments über längere Zeiträume und nutze Staking, um zusätzliche Rendite aus meinen Krypto-Assets zu generieren.

Wie würdest du dich aus der Perspektive deiner besten Freund:innen beschreiben? Wer bist du, wenn du nicht arbeitest?

 Ich bin sehr gerne aktiv und mache viel Sport. Ich trainiere MMA und bin außerdem als offizielle Inspektorin für die GEMMAF (German Mixed Martial Arts Federation) tätig. Fast jedes Wochenende finden irgendwo in Deutschland MMA-Events statt, bei denen ich als Inspektorin im Einsatz bin. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Regelwerke von Kämpfern, Coaches und Veranstaltern eingehalten werden.

Außerdem liebe ich Wandern und Abenteuer in der Natur – das ist für mich ein wichtiger Ausgleich zur Arbeit im digitalen Raum.

Wie erklärst du jemandem, der keine Krypto-Vorerfahrung hat, was Bitcoin für dich bedeutet?

 Für mich ist Bitcoin viel mehr als nur eine digitale Währung – es ist ein Symbol für finanzielle Selbstbestimmung. Wenn ich jemandem ohne Vorerfahrung erkläre, was Bitcoin bedeutet, sage ich oft: Stell dir vor, du kannst Geld senden und empfangen, ohne auf eine Bank angewiesen zu sein, ganz egal, in welchem Land du lebst oder welches System dort herrscht.

Gerade weil ich aus dem Iran komme, wo das traditionelle Finanzsystem stark eingeschränkt ist, habe ich selbst erlebt, wie wertvoll ein offenes, zensur resistentes System wie Bitcoin sein kann. Es gibt Menschen die Möglichkeit, unabhängig zu agieren – selbst dann, wenn sie im klassischen System ausgeschlossen sind.


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Für mich steht Bitcoin also für Freiheit, Unabhängigkeit und das Recht, Teil des globalen Finanzsystems zu sein – ganz ohne Mittelsmänner.

Wie hat sich deine Unabhängigkeit durch Krypto verändert? Dein beruflicher Werdegang, persönlich?

Krypto hat meine Unabhängigkeit sowohl beruflich als auch persönlich stark verändert. Beruflich hat es mir ermöglicht, in einer Zukunftsbranche Fuß zu fassen, die nicht von klassischen Hierarchien oder traditionellen Zugängen geprägt ist. Ich konnte mir Wissen eigenständig aneignen, mich vernetzen und so Schritt für Schritt meine Karriere in der Blockchain-Welt aufbauen – ohne "klassischen" Lebenslauf oder institutionellen Hintergrund in der Finanzwelt.

Mahsa Doorfard auf der TUM Blockchain Conference während einer Panel-Diskussion über Blockchain und Web3.
Mahsa Doorfard bei einer Podiumsdiskussion auf der TUM Blockchain Conference. Gemeinsam mit weiteren Expert:innen spricht sie über die Zukunft von Web3, Blockchain und digitalen Vermögenswerten auf der Dome Stage.

Persönlich hat Krypto mir zum ersten Mal das Gefühl gegeben, wirklich finanzielle Kontrolle zu haben – unabhängig von Herkunft, Standort oder politischen Umständen. Als jemand, der aus dem Iran stammt, war der Zugang zu internationalen Finanzsystemen lange Zeit stark eingeschränkt. Durch Krypto konnte ich erstmals frei Geld bewegen, sparen und investieren – ganz ohne Drittpartei.

Diese neue Unabhängigkeit hat mir nicht nur neue Möglichkeiten eröffnet, sondern auch mein Selbstbewusstsein gestärkt. Ich habe gelernt, dass man in der Krypto-Welt nicht nur Nutzerin, sondern auch Gestalterin sein kann.

Was bedeutet Mut für dich?

Für mich bedeutet Mut, Dinge außerhalb der eigenen Komfortzone zu tun – auch wenn sie Angst machen. Mutig zu sein heißt nicht, keine Angst oder keinen Stress zu empfinden, sondern trotz dieser Gefühle ins Handeln zu kommen.

Ich wollte schon lange an einem Spartan Race (einem Hindernislauf) in den Alpen teilnehmen, habe mich aber nie stark genug dafür gefühlt. Dieses Jahr dachte ich mir: wenn nicht jetzt, wann dann? Also habe ich mich spontan für ein Spartan Race im September in Kaprun, Zell am See in Österreich angemeldet. Es wird sicher hart, aber ich freue mich riesig darauf. Das war das letzte Mal, dass ich mich wirklich mutig gefühlt habe – in dem Moment, in dem ich mich einfach angemeldet habe.

Tipps zum Krypto-Start

Am Anfang kann es etwas überwältigend wirken, mit Krypto zu starten. Mein Tipp ist, sich täglich ein paar Stunden Zeit zu nehmen, um zu lesen und erste einfache DeFi-Aktivitäten mit kleinen Beträgen auszuprobieren. So kann man Schritt für Schritt praktische Erfahrungen sammeln.

Jeder Artikel, den man liest, und jedes YouTube-Video, das man schaut, ist wie ein kleines Puzzleteil. Anfangs wirken die Teile noch unzusammenhängend und schwer verständlich, aber irgendwann fügen sich alle Teile zu einem klaren Bild zusammen.

Trinkst du eigentlich Matcha und wo gibt es den Besten in deiner Stadt? Alternativ auch Lieblingscafe.

In der Feldstraße in Hamburg gibt es ein Café namens „Matcha Dream“, das meiner Meinung nach richtig leckere Spezialitäten anbietet.


Mahsa ist Sales- und Marketing-Managerin bei coinIX, einer Blockchain-Investmentfirma mit Sitz in Hamburg. Sie wurde als ReFi-, DLT-, Bitcoin- und AI-Talent der Frankfurt School of Finance & Management ausgezeichnet und ist zudem Stipendiatin des SheFi-Programms. Ihre Masterarbeit widmete sie den CeDeFi-Anwendungsfällen in Metaverse-Spielen. Darüber hinaus erstellt sie auf Medium und YouTube Bildungsinhalte, um Neueinsteiger:innen bestmöglich auf die bevorstehende Massenadoption vorzubereiten. Sie ist zudem Expertin bei ECOTA und Bundesblock.

Die in diesem Interview geteilten Inhalte stellen keine Finanz-, Anlage- oder Rechtsberatung dar. Es handelt sich um persönliche Erfahrungen, Meinungen und Einschätzungen von Mahsa. Jeder ist aufgefordert, sich selbständig zu informieren und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen – insbesondere im Umgang mit der Verwahrung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen.