Sind NFTs gefährlich? Gibt es Risiken im Kontext ihrer Verwendung, dem Handel oder dem Verkauf? Ist das NFT auch wirklich den Preis wert, den der Verkäufer aufruft? Was ist, wenn das NFT gar kein Original ist und das Logo einer bekannten Marke einfach nur reinkopiert wurde? Das sind viele Fragen auf einmal und doch sind sie alle wichtig.
Jemand, der diese Fragen beantworten kann, ist Vijay Pravin, CEO und Gründer von bitsCrunch, einem Start-up aus München. Vijay ist nicht nur Unternehmer, sondern auch ein ausgezeichneter Datenwissenschaftler, den es nach dem Master-Studium an der technischen Universität von München von der Telefónica Deutschland nach VW und schließlich zu Siemens führte.
Doch Vijay wusste schnell, dass die Aufgaben als Data Scientist (VW) und Analytics Solutions Expert (Siemens) ihn nicht dauerhaft ausfüllen würden. Er war auf der Suche nach seiner wirklichen Berufung, während er als TEDx Speaker tausende Zuhörer von der Bühne aus begeisterte. Dann kam sein erster Berührungspunkt zur Kryptowelt und schnell war klar, dass er sich mit seinem gegründeten Unternehmen bitsCrunch den Non-Fungiblen Token und vor allem ihrer Sicherheit widmen wollte.
Zusammen mit seinem Partner Saravanan entwickelte er eine Software, die Wash Trading erkennen kann. Ein absolutes Novum in einer Branche, die von überteuerten digitalen Kunstwerken und aberwitzigen Versteigerungen verpixelter Äffchen geprägt war. Jetzt ist der NFT-Hype zwar abgekühlt, aber die Probleme sind nicht geringer. Im Gegenteil, denn jetzt versuchen Besitzer teurer NFTs ihre Token abzustoßen, was sie unter Druck setzt und sie teilweise zu unerlaubten Mitteln greifen.
Wir haben mit Vijay gesprochen und ihn gefragt, was sein Unternehmen bitsCrunch für Lösungen anbietet und wie Unternehmen oder Besitzer von NFTs davon profitieren können!
Was heißt Wash Trading?
Zunächst geht es um das Wash Trading. Vijay erklärt das so:
Wir sind die Wächter über die unterschiedlichen NFT Ökosysteme und sehen uns als das Software-basierte Auge, das im Hintergrund über die Abläufe wacht. Wir agieren im Hintergrund und untersuchen die Vorgänge, wenn NFTs auf Marktplätzen angeboten werden und stellen sicher, dass Käufer von NFTs nicht auf Wash Trading hereinfallen.
Was genau ist Wash Trading, wollen wir von Vijay wissen.
Vijay: „Stellen wir uns einen Verkäufer vor, der ein NFT geprägt hat und dieses an einem Marktplatz zum Verkauf anbietet. Er ist mit dem Verlauf des Verkaufs nicht zufrieden, denn offensichtlich gehen die Gebote nach seinem Geschmack nicht hoch genug. Er bittet nun einen Freund oder Kollegen dazu, ebenfalls ein Konto auf dem Marktplatz zu erstellen und ein höheres Gebot auf das besagte NFT abzugeben.“
Welche Gefahren birgt Wash Trading?
Soweit verstanden, das ist nicht nett, aber aus eBay und anderen Auktionsportalen durchaus bekannt.
Vijay: „Richtig, dort geht es oft eher um kleine Beträge und Gefälligkeiten von Freunden oder Familie. Doch bei einem NFT können schnell 5-stellige Beträge zusammenkommen und am Ende erhält der tatsächliche Käufer des NFT ein total wertloses Token.“
Also ist Wash Trading so etwas wie das künstliche Hochtreiben von Preisen für NFT?
Vijay: „Ja, so kann man es beschreiben. Statt einem befreundeten Konto sind es mehrere Konten unterschiedlicher Betrüger, die ihre abgegebenen Gebote übertreffen und es so aussehen lassen, als wäre eine hohe Nachfrage nach dem NFT auf dem Marktplatz. Das weckt Begehrlichkeiten und manch Interessent ist geneigt, den jetzt hohen Preis zu bezahlen, weil er denkt, dass das NFT stark nachgefragt ist und sich entsprechend hoch weiterverkaufen lässt.“
Das bedeutet, er kauft am Ende ein wertloses NFT, das niemand sonst haben wollte, zu einem überteuerten Preis und bleibt höchstwahrscheinlich auf den Kosten sitzen, weil er sein NFT nicht weiterverkauft bekommt?
Vijay: „Glückwunsch, das Konzept Wash Trading ist verstanden! (Lacht). Wir reden hier ja nicht von 200 € oder 1.000 €, was schon ärgerlich genug ist. Es geht auch nicht um ein, fünf oder zehn NFT, deren Preis auf Marktplätzen künstlich in die Höhe geschraubt werden!“
Wie verbreitet ist Wash Trading und lohnt sich dieses Geschäft?
Ist das denn ein lohnendes Geschäft? Steckt vielleicht sogar organisierte Kriminalität dahinter, denn das geht ja weit über ein Kavaliersdelikt hinaus, oder
Vijay: „Oh ja, das lohnt sich für die Täter. Wir haben in den letzten 90 Tagen auf den drei Blockchains Polygon, Ethereum und Avalanche Wash Trading im Wert von 1,5 Milliarden USD festgestellt.
Bei den Ergebnissen ist davon auszugehen, dass ein Großteil von Netzwerkstrukturen verursacht wird. Zumindest aber von Gruppen, die über entsprechende Ambitionen und Wissen verfügen, um Käufer bewusst zu betrügen“
Welche anderen Lösungen bietet bitsCrunch außerdem an? Gibt es noch mehr Möglichkeiten zur Manipulation von NFTs?
Vijay: „Stell dir vor, du entdeckst auf einem NFT-Marktplatz ein seltenes NFT von einer sehr bekannten Marke. Du erkennst das Logo des Unternehmens in dem NFT und kaufst es in der Überzeugung, dass es ‚echt‘ ist und bezahlst den entsprechend hohen Preis dafür.“
Qualität hat nun mal ihren Preis, das gilt für Marken überall in der Konsumwelt. Warum nicht auch bei NFTs?
„Niemand garantiert dir, dass dieses NFT auch tatsächlich von der besagten Marke oder dem jeweiligen Unternehmen stammt! Es ist für (fast) jeden Menschen mit etwas Kenntnis möglich, ein NFT zu prägen. Genauso wie du eine gefälschte Markenuhr oder eine Luxus-Handtasche nicht auf den ersten Blick erkennst, hast du auch bei NFTs ohne unsere Lösungen derzeit noch keine Möglichkeit, ihre Authentizität zu überprüfen.“
Also reden wir von gefälschten Marken-NFTs? Von Markenfälschung auf der Blockchain?
Vijay: „Wenn du so willst, ja. Das Hinzufügen eines Logos in ein NFT ist ein Mausklick Arbeit und macht dich unter Umständen um mehrere tausend Euro reicher. Auch hier erhält aber der Käufer am Ende nicht nur ein wertloses NFT, sondern macht sich mit dem Weiterverkauf auch noch möglicherweise strafbar. „
Und mit bitsCrunch habt ihr ein Tool entwickelt, dass Fake NFTs aufspürt, richtig?
Ja, mit unserem Produkt Forgery Detection, so der Fachbegriff, sind wir in der Lage, solche „Nachahmer”-NFTs zu finden. Nehmen wir das Beispiel von Bored Apes NFTs, die wurden bis Mai 2022 für fast 2 Milliarden US-Dollar verkauft, mit viel Spielraum nach oben, wenn weitere NFTs geprägt werden.
Die nachfolgende Grafik zeigt, dass wir bei unseren Untersuchungen 144 fast exakte Übereinstimmungen mit den Originalen gefunden haben. Weiterhin gab es 231 NFTs, die als nahezu exakte Übereinstimmungen markiert wurden und 814 NFTs, die fast identisch waren.
Wie kategorisiert ihr denn die verschiedenen Nachahmungen bei den NFTs?
Vijay: „Wir haben uns für folgende Einteilung entschieden: Exakte Übereinstimmungen, nahezu exakte Übereinstimmungen, extrem ähnlich, ähnlich, mäßig ähnlich und leicht ähnlich.“
Das heißt aber auch, es muss sich um große Summen handeln, denn für 144 NFTs, die praktisch nichts wert sind, mache ich so einen großen Aufwand wohl kaum, oder?
Vijay: „Ja, das ist richtig. Wir reden hierbei von einem Millionen-Dollar-Markt. Wir haben festgestellt, dass allein unter den Top 40 Sammlungen auf der Ethereum Blockchain ein Schaden in Höhe von 4,49 Millionen US-Dollar entstanden ist. Das ist nur eine Blockchain und nur die Top 40 Sammlungen. Stell dir vor, welche Summen da zusammenkommen, wenn wir alles vollständig abdecken würden.“
Was ist der faire Wert eines NFTs?
Bleiben wir bei den Preisen, die Kunden für NFTs bezahlen. Aus deiner Sicht total überzogen oder absolut nachvollziehbar?
Vijay: „Du kannst nicht sagen, ob ein Objekt oder ein digitaler Vermögenswert am Ende genau das wert ist, was der Käufer dafür bezahlt hat. Aus seiner Sicht war es das ja, sonst wäre er nicht zum Kauf bereit gewesen. Und das ist das Wichtigste dabei, dass der Käufer den Preis für angemessen hält oder andersherum, er das Objekt der Begierde für so wertvoll hält, wie er bereit war, dafür zu bezahlen.“
Wie kann ich denn sicherstellen, dass der NFT-Preis überhaupt marktüblich oder zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen ist? Wir sind ja nicht alle Experten auf dem Gebiet und haben den völligen Überblick über den Markt und seine aktuellen Preise. Hat bitsCrunch da auch eine Lösung entwickelt?
Vijay: „Es ist in der Tat schwierig, vor allem als Laie, einzuschätzen, ob ein aufgerufener Preis am Markt Bestand hat. Dafür nutzen wir Künstliche Intelligenz, die Muster in großen Datenmengen erkennt. Zusammen mit dem Aufblähen von Preisen durch Wash Trading entstehen der gesamten Branche große Schäden. Das Vertrauen der Anleger in NFTs sinkt entsprechend, wenn sie sich über den Tisch gezogen fühlen.”
Worin liegen die Schwierigkeiten bei der Preisschätzung von NFTs?
Vijay: „Ich würde sagen, das größte Problem sind die Preisschwankungen, die im Kryptomarkt üblich sind. Außerdem entsteht die Volatilität auch durch Unterschiede im Handelsvolumen von NFT, also innerhalb ihrer Sammlungen. Bei der Preisschätzung spielen auch Faktoren wie der zuletzt gehandelte Preis und die Tatsache, wer zuletzt diesen NFT gekauft hat, eine große Rolle. Das alles nimmt direkt Einfluss auf den Preis eines NFT. Das heißt, man muss alle Parameter vor dem Trade in die Berechnung mit einfließen lassen. Dafür haben wir die Künstliche Intelligenz entwickelt und mit einem eigenen Datenmodell trainiert.
Haben diese großen Plattformen dann nicht eigentlich auch eine Verantwortung gegenüber ihren Benutzern, um für mehr Sicherheit zu sorgen?
Vijay: „Ich denke schon, denn große Plattformen können das Benutzerverhalten beeinflussen und ihnen beispielsweise ermöglichen, ihre NFTs auf Twitter zu veröffentlichen, mit ihrem Instagram-Profil zu verknüpfen oder mit bitsCrunch zu überprüfen. Allein die CryptoSnoos NFTs von Reddit wurden im Polygon-Netzwerk rund sieben Millionen Mal geprägt. Was passiert also, wenn ein gefälschtes NFT mit der Wallet einer Person verknüpft ist oder das geistige Eigentum Dritter in einem NFT verwendet wird?”
Kannst du uns ein prominentes Beispiel geben, wo dein Unternehmen Markenbetrug bei NFTs aufgedeckt hat?
Vijay: „Ja, wir haben mit unserer Methode Fälle aufgedeckt, in denen die Marke McDonald’s von einer Kollektion namens Coodles verwendet wurde. Die Sammlung umfasste 434 NFTs und laut unserer Analyse haben diese NFTs zusammen ein Volumen von über einer halben Million Dollar generiert. Wir konnten jedoch nicht feststellen, dass die Coodles mit McDonalds verbunden waren. Es wird sich also höchstwahrscheinlich um Markenbetrug gehandelt haben.”
Wie siehst du den Markt für NFTs in den nächsten Jahren?
Vijay: „NFTs entwickeln sich derzeit weg von überteuerten Kunstwerken und verpixelten Avataren zu echten Mehrwerten. Sie können beispielsweise die Eintrittskarte für ein Konzert darstellen und in Plattformen eingebettet werden. Diese Tickets lassen sich zwischen Benutzern weiterverkaufen, was bereits in großem Umfang geschieht. Über das Ticket können sich Benutzer auch mit anderen vernetzen, die an derselben Veranstaltung teilnehmen. Es gibt jedoch noch fast keine Lösung, On-Chain Daten zu scannen, um zu sehen, ob es sich um gefälschte Tickets handelt oder ob es zu Markenverletzungen kommt. Unsere Lösung scannt regelmäßig automatisch diese Daten und kennzeichnet Fälle, in denen die Rechte verletzt wurden.”
Das bedeutet, wenn es zur Massenanwendung von NFTs auf Plattformen kommt, dann können Benutzer derzeit nicht überprüfen, ob es sich beim Verkäufer eines Tickets als NFT um den tatsächlichen Besitzer handelt, richtig?
Vijay: „Genau, denn es gibt zwar Millionen von Wallets auf Reddit, aber nicht Millionen von NFTs auf Plattformen, zumindest nicht bisher. Wir sind aber sicher, das ist nur eine Frage der Zeit, so arbeitet Ticketmaster bereits an solch einer Lösung. Die Interaktion über Wallets wie beispielsweise MetaMask findet außerhalb der Plattformen statt. Wir benötigen aber eine flächendeckende Lösung auf den Plattformen, die für Sicherheit und Schutz von Urheberrechten bzw. Markenrechten sorgt. Und die haben wir entwickelt!”
Mehr Informationen zu bitsCrunch und Vijay findest Du hier:
- LinkedIn von Vijay Pravin
- Twitter-Kanal von bitsCrunch
Das Interview führte Stefanie Herrnberger.