Das Stock to Flow Modell ist eines der am heißesten diskutierten Modelle der Crypto Szene. Während PlanB schlussendlich von einer 100 Billionen USD schweren Marktkapitalisierung von Bitcoin träumt, versuchen immer wieder Analytiker das Modell zu widerlegen, mindestens aber anzuzweifeln. Fakt ist, dass das S2F Modell den BTC Kurs der Vergangenheit extrem genau vorhersagen konnte.

Doch genau diese Tatsache macht Nico Cordeiro, Chief Investment Officer und Fondsmanager bei Strix Leviathan, dem „Chameleon Modell“ nun zum Vorwurf und er hat Beweise dafür. Wir wollen euch den Bericht von Coindesk bzw. Nico Cordeiro nicht vorenthalten, werden ihn aber ein wenig kürzen. Die Originale sind jeweils verlinkt.

Dieser Artikel spiegelt die Meinung von Nico Cordeiro wider und soll die Kritik am S2F-Modell verdeutlichen.

Stock-to-Flow-Modell: Ein Billionen Traum

Nico Cordeiro ist als Chief Investment Officer unter anderem verantwortlich für die quantitative Forschung, Strategieentwicklung, Risikomanagement und Portfolioallokation von Strix Leviathan. Das macht ihn auf dem Papier zumindest zu einem geeigneten Mann, sich dem Thema Bitcoin und Stock-to-Flow Modell (S2F) anzunehmen.

Bereits zu Beginn wird seine starke Abneigung gegenüber dem S2F-Modells von PlanB sehr deutlich. Er vergleicht hierbei den PlanB Ansatz mit Astronomie und Vorhersagen für den Finanzmarkt, also als Unsinn.

Das Modell hat virale Popularität erlangt und diejenigen, die alles auf die Zukunft von Bitcoin setzen, zu Lumpen-zu-Reiche-Träumen inspiriert. (Vom Tellerwäscher zum Millionär)

Ein harter Angriff auf die Community und Befürworter des Stock-to-Flow Modells und Bitcoin. Kein guter Einstand um den Sachverhalt objektiv aufzuklären, aber schauen wir uns seine Argumente genauer an.

Das Chameleon Modell

Für Cordeiro ist das Bitcoin Stock-to-Flow Modell ein „Chameleon“. Ein Begriff für Modelle, die auf zweifelhaften Annahmen beruhen und denen mehr Glaubwürdigkeit beigemessen wird, als sie verdienen. So die Aussagen des Standford Professors Paul Pleifderer, der den Begriff prägte. Besonders die theoretischen Annahmen eines Modells sollten laut Pleifderer kritisch hinterfragt werden:

Man stelle sich ein Preismodell für Vermögenswerte vor, das auf der Annahme beruht, dass es keine Ungewissheit über die Renditen von Vermögenswerten gibt. … Kein seriöser Mensch würde vorschlagen, dass die Vorhersagen des Modells einer strengen empirischen Prüfung unterzogen werden sollten, bevor man es ablehnt. Das Modell kann einfach mit der Begründung abgelehnt werden, dass eine kritische Annahme im Widerspruch zu dem steht, was wir bereits als wahr kennen.

Zusammengefasst: Chameleon Modelle sind wie die Tiere in der Natur nur schwer zu entdecken. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die Annahmen unrealistisch bzw. unnatürlich sind.

Grundsätzlich eine vernünftige Herangehensweisen, die wir uns im folgenden in Bezug auf das Bitcoin S2F-Modell genauer anschauen wollen.

Das Bitcoin S2F-Modell nach PlanB

Die Einführung in das Bitcoin Stock-to-Flow-Modell wollen wir uns an dieser Stelle sparen und verweisen diejenigen, die noch wenig damit anfangen können auf unseren Wissensartikel “ Das Stock-to-Flow Modell“.

Kurz zusammengefasst: Die Knappheit durch die sich Edelmetalle wie Gold oder Silber auszeichnen, ist in Form des S2F-Werts auch auf Bitcoin anwendbar. Diese Knappheit beeinflusst direkt den Wert von BTC, so die Hypothese.

Source: Modeling Bitcoin Value with Scarcity

Das Ergebnis der Analyse von PlanB ist eine lineare Regression mit einem R2 Wert von 0,95, der beweisen soll, wie gut das Modell den Bitcoin Kurs im Verhältnis zum S2F-Wert repräsentiert. Dadurch lässt sich ein Bitcoin Preis von 100.000 USD und mehr prognostizieren. Für Cordeiro Augenwischerei und der Versuch der „Mond“-Prognose von PlanB Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Zugegeben, das S2F-Modell habe ich noch nie nachgerechnet, egal was ich von den Annahmen halte. Du? Wenn ja schreib mir einen Kommentar!

PlanB Analyse weist viele Mängel auf

Laut Cordeiro weist das Paper von PlanB einige Mängel auf. Dabei bezieht er sich sowohl auf die theoretischen Aussagen als auch die empirischen Grundlagen.

Beginnen wir mit dem theoretischen Ansatz. Hier basiert PlanB’s Modell auf der einzigen Behauptung, dass die USD-Marktkapitalisierung eines monetären Gutes (z.B. Gold und Silber) direkt von ihrer Rate des neuen Angebots abgeleitet wird. Einzelne Datenpunkte untermauern diesen Ansatz und es werden keine weiteren Daten oder Begründungen geliefert.

Ein Grund, den er in der linearen Regression weiterführt. Denn ein hoher R-Wert (0,95) bedeutet nicht zwingend, dass der Befund wahr sein muss. Hier kreidet Cordeiro vor allem den großen Freiheitsgrad für Zufallszahlen an, die zu einem bestimmten Ergebnis passen:

Dies wird ganz offensichtlich, wenn man das Modell auf die Zukunft ausdehnt. Bis 2045 schätzt das Modell einen Bitcoin Kurs von 235.000.000.000 USD.

Auch hier trifft Cordeiro einen Nerv, einen so hohen BTC Preis sehe ich nur bei einer Hyperinflation als realistisch an. Aber wer weiß wo wir 2045 stehen. Dennoch fehlt mir zum Beispiel auch die Nachfrageseite, die das knappe Gut nachfragen muss.

Knappheit, Gold und der US-Dollar

In seiner Analyse stellt Cordeiro unter anderem die Definition von Knappheit in Frage. Denn die Knappheit des Angebots wirkt im Bitcoin Stock-to-Flow Modell wie die Beschreibung der Wachstumsrate, der S2F Wert. Mehr Angebot würde demnach den Preis drücken und umgekehrt.

Je höher der S2F-Wert, desto irrelevanter wird die Neuzufuhr auf das aktuelle Angebot. Das kann man bei Bitcoin sehr gut erkennen, wenn man bedenkt, dass bereits 18 von 21 Mio. BTC erzeugt wurden.

Schaut man sich aber den SF-Wert von Gold in den letzten 115 Jahren an und die Bewertung der gesamten Goldmenge stellt man schnell fest, dass es eine breite Schwankung von 60 Mrd. USD bis zu 9 Billionen USD gibt. Alle bei einem SF-Wert von 60. Diese Spanne beweist für Cordeiro, dass andere Faktoren die USD Bewertung von Gold bestimmen.

Cordeiro stellt heraus, dass das Gold/USD Verhältnis die Kaufkraft darstellt. Wenn wir annehmen, dass die Kaufkraft von Gold stabil wäre, könnte man 88% der oben beschriebenen Variabilität dem Wertverlust des USD in 115 Jahren zuschreiben, also der Inflation. 1 USD aus dem Jahr 1915 hat im heutigen Jahr nur noch die Kaufkraft von 0,04 USD.

Der SF-Wert kann demnach zwar Aussagen, ob es sich um „hartes Geld“ handelt, aber nicht, wie die Marktteilnehmer dieses Geld bewerten. Ein Vergleich von Bitcoin mit anderen Kryptowährungen bekräftigt laut Cordeiro diesen Eindruck, denn obwohl Abwandlungen von Bitcoin einen ähnlichen Angebotsverlauf haben, sind sie bei weitem nicht so hoch bewertet wie BTC.

Wir bleiben mit einer Hypothese zurück, die für keine Wirtschaftsgüter außer Bitcoin gilt und deren einziger Beweis eine lineare Regression mit fragwürdiger Anwendung und klarer Selektionsverzerrung ist.

Hier trifft er einen wunden Punkt, denn weder Inflation noch Markterwartungen spiegeln sich im S2F-Modell von PlanB wider. Das Modell enthält meiner Meinung nach zu wenig Variablen, um allen Einflüssen auf den BTC Preis gerecht zu werden. Dennoch ist sein Vergleich mit anderen Kryptowährungen auch recht eindimensional, denn dasselbe gilt für andere Edelmetalle.

Bitcoin Stock-Flow-Modell und die Design Fehler

Ohne hier zu ausschweifend zu werden, wollen wir uns den Kernpunkten aus mathematischer/statistischer Sicht widmen, die Cordeiro bemängelt. Vor allem die Aussagekraft des Modells für die Zukunft wird hier infrage gestellt.

Die von PlanB angewandte Regression der kleinsten Quadrate (OLS) ist kein Modell, welches für Prognosen geeignet ist. Schauen wir hierzu auf die Formel (gerundet) von PlanB nochmal an:

ln(BTC Marktkapitalisierung ins USD) = 3,3 * ln(SF-Wert) + 14,6

Jede Änderung des SF-Wert bedeutet also eine Änderung der Marktkapitalisierung von Bitcoin. Da der SF-Wert von BTC sich aber nur alle 210.000 Blöcke (ca. 4 Jahre) ändert würde die monatliche Änderung immer bei 0 liegen und nur zur Zeit des Halvings größer werden:

Source: Strix Leviathan LLC , 2020.

Seine Kritik ist also, dass das von PlanB angewandte Modell zwar gut auf die Vergangenheit passt, aber es eben auf Grund der nur 4-jährigen Anpassung des SF-Werts keine konkreten Vorhersagen zulässt. Ein solches Phänomen nennt man im Übrigen Overfitting. Das heißt, dass die Parameter, die die Regression im Ergebnis liefert, zwar gut auf die jeweiligen „Trainingsdaten“ passen, aber keine allgemeine Aussagekraft hat.

Dies wird ganz offensichtlich, wenn man das Modell auf die nahe Zukunft ausdehnt. Bis 2045 schätzt das Modell, dass jeder Bitcoin 235.000.000.000 $ wert sein wird, bevor sie schließlich ins Unendliche konvergiert, wenn sich der Fluss von Bitcoin dem Wert 0 nähert.

Wer hier nicht ganz folgen kann, sollte sich die detaillierte Analyse von Cordeiro nochmal anschauen. Aber klar, hier gelten die Gesetze, die auch bei Chartanalyse gelten. Wenn auch kompliziert bewiesen, ist das immer die Schwäche von Prognose Modellen, die auf wenigen Variablen beruhen.

Fazit: Bitcoin Stock-to-flow-Modell nur Marketing Gag oder Research Paper?

Wie man mit Statistiken lügt: So manche Statistik ist auf den ersten Blick falsch. Sie kommt nur deshalb durch, weil die Magie der Zahlen eine Aussetzung des gesunden Menschenverstands bewirkt“ – Darrell Huff.

So fasst Cordeiro die Kritik am Bitcoin Stock-to-Flow Modell zusammen. Die mathematische Präzision des S2F-Modells mit Blick auf die Vergangenheit lässt nur wenig Spielraum für Zweifel. Ein zweiter genauerer Blick zeigt aber laut Cordeiro Schwächen, auf die Investoren unbedingt achten und somit skeptisch sein sollten.

Dennoch stellt er heraus, dass dies unabhängig von der Narrative eines digitalen Golds ist. Er sieht PlanB’s Ansatz eher als Marketing Paper und nicht als ernstzunehmende empirische Analyse. Ein Papier, was Investoren zum Träumen bringen soll. Unabhängig ob die Prognose aufgeht oder nicht. Allein mit der Angebotskurve von Bitcoin habe die von ihm vorhergesagte Entwicklung des Preises jedoch wenig zu tun.

Meine Meinung

Ich habe immer wieder kleine Anmerkungen gemacht (kursiv) um die Aussagen von Cordeiro ein wenig sachlicher einzuordnen, denn auch er argumentiert teils zu emotional. Dennoch teile ich die Einschätzung, dass das S2F-Modell mit Vorsicht genossen werden sollte. Ich sehe es auch als „Hopium“ bei dem zu wenig Faktoren beachtet werden, um eine sachliche und richtige Prognose anzustellen.

Ich glaube aber auch, dass in dem Modell noch Potential steckt, wenn man es eben um relevante Faktoren erweitert. Genau wie beim Bitcoin Kurs wird dies aber nur die Zukunft zeigen, ob und wie das Modell angepasst wird. Eines ist aber Fakt und das gibt auch Cordeiro zu: Es ist ein ziemlich genauer Blick in die Vergangenheit.

Genauso wie Chart-Analyse sollte man aber Prognosen immer mit Vorsicht genießen. Am Ende ist alles eine Frage von Wahrscheinlichkeiten, die Narrative von freiem, zensurresistentem und dezentralem Geld kann man Bitcoin jedenfalls nicht mehr nehmen. Das gilt auch bei einem Bitcoin Kurs der keine 100.000 USD beträgt.

WICHTIG: Macht eure eigenen Recherchen und investiert immer mit Bedacht!

[Bildquelle: Shutterstock, Strix Leviathan]