Die On-Chain Analyse, also die Untersuchung von Daten aus Blockchain-Netzwerken, lässt sich bis 2011 zurückverfolgen. Wenngleich also eine junge Disziplin, greift die On-Chain Analyse auf makroökonomische, fundamentale und behaviorale Bewertungsmethoden zu, um mithilfe der Daten aus Blockchain-Netzwerken und Marktdaten zukünftig wahrscheinliche Preisbewegungen zu erkennen.
Erfahre in diesem Artikel, wie On-Chain Analyse funktioniert und welche wichtigen Kernmetriken du dabei kennen solltest.
Was ist On-Chain Analyse? - Definition und Erklärung
Zunächst eine einfache Definition und Erklärung der On-Chain Analyse.
Die On-Chain Analyse will durch die Analysen verschiedenster Daten aus Blockchain-Netzwerken die fundamentalen Beschaffenheiten eines digitalen Assets erkennen, das Verhalten von Marktteilnehmern bewerten und gepaart mit Marktdaten zukünftig wahrscheinliche Preisbewegungen erkennen.
Hauptsächlich stützt sich die On-Chain Analyse dabei auf Daten aus den verschiedenen Blockchain-Netzwerken selbst und nicht selten auf den Derivatemärkten, welche die Kryptowährungen umgeben.
Die On-Chain Analyse versucht so die aktuellen Begebenheiten, deren bisherigen Verlauf, ehemalig vergleichbare Events und aktuelles Sentiment zu untersuchen, um so womögliche Preisentwicklungen zu ermitteln.
On-Chain Analyse ist damit ein wichtiger Bestandteil für die Bewertung von Kryptowährungen. Denn sie verbindet gewissermaßen Chartanalyse und Fundamentalanalyse, während die individuelle Psychologie der Investoren immer im Zentrum bleibt.
So funktioniert On-Chain Analyse: Die wichtigsten Grundlagen
Für viele Menschen scheint die On-Chain Analyse (Achtung: Wortspiel) fast schon kryptisch. Eine verständliche erste Sichtweise gibt es doch zahllose Metriken, Filtermöglichkeiten, usw. Doch im Grunde kann an On-Chain Analyse zunächst mit den Grundlagen der Chartanalyse herangetreten werden.
Es wird die Vergangenheit bis ins Hier und Jetzt untersucht, um daraus Schlussfolgerungen für weitere Entwicklungen (basierend auf Wahrscheinlichkeiten) zu ziehen.
Dabei spielen makro- und mikroökonomische Daten auch außerhalb von Kryptowährungen selbst durchaus eine Rolle. Anders als bei der Fundamentalanalyse aber liegt die Gewichtung im Rahmen der gewonnenen Erkenntnisse deutlich auf den Daten aus den Blockchain-Netzwerken.
Im Folgenden blicken wir nun auf die 5 wichtigsten Kernmetriken der On-Chain Analyse.
Die 5 wichtigsten Indikatoren der On-Chain Analyse
In der On-Chain Analyse gibt es unzählige Kennzahlen, Metriken und Verhältnisse. Und alle diese Daten haben ihre Daseinsberechtigung. Nachfolgend wollen wir 5 der wichtigsten Indikatoren der On-Chain Analyse vorstellen.
Marktkapitalisierung bzw. realisierte Marktkapitalisierung: Definition und Erklärung
Die Marktkapitalisierung setzt sich aus dem aktuellen Marktwert einer Kryptowährung und deren aktueller Gesamtumlaufmenge zusammen. Also wie bei Aktien auch. Marktpreis * aktuelle Umlaufmenge = Marktkapitalisierung. Der Gesamtwert einer Kryptowährung basierend auf dem aktuellen Marktpreis wird für eine Vielzahl an On-Chain Metriken herangezogen.
Allerdings gibt es hierbei ein Problem: Die Marktkapitalisierung ist nicht aussagekräftig, wenn es um den real investierten Betrag in eine Kryptowährung geht. Denn verschiedene Investoren erwerben ihre Coins und Token zu unterschiedlichen Preisen. Die Marktkapitalisierung ignoriert diesen Umstand.
Deswegen achten On-Chain Analysten mehr auf die realisierte Marktkapitalisierung. Denn diese gibt den real investierten Wert in die Umlaufmenge an. Dieser wird gemessen am Marktwert der Coins und Token zur jeweils letzten Transaktion.
Es wird so der Gesamtwert aller Investments zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung gemessen und wiedergegeben. Im Gegensatz zum Preis, auf den sich der Markt zuletzt geeinigt hatte.
NVT-Verhältnis: Das KGV-Verhältnis von Kryptowährungen
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) dürfte den meisten traditionellen Investoren besten bekannt sein. Immerhin stellt es eine der wichtigsten Kennzahlen der quantitativen Fundamentalanalyse dar. Auch bei Kryptowährungen gibt es dieses wichtige Verhältnis, allerdings in angepasster Form.
Errechnet wird das "Netzwerkwert-Transaktions-Verhältnis" (aus dem Englischen Network Value to Transactions) durch die Teilung der Marktkapitalisierung durch das tägliche Transaktionsvolumen in USD. Die Metrik wurde geschaffen durch den bekannten On-Chain Analysten Willy Woo.
Mit dem NVT-Verhältnis wird es möglich, eine Übersicht darüber zu erhalten, wie stark ein Netzwerk relativ zu seinem Wert (Marktkapitalisierung) genutzt wird (Gesamtsumme der durchschnittlichen Transaktionen pro Tag in US-Dollar). Daraus lassen sich dann fundamental unter- bzw. überbewertete Beschaffenheiten erkennen.
Transaktionen und Transaktionsvolumen
Wie schon aus dem NVT-Verhältnis hervorgeht, spielt das Transaktionsvolumen erzeugt über die Blockchain-Netzwerke eine tragende Rolle bei der Bewertung von Kryptowährungen via On-Chain Analyse. Dabei unterscheiden Analysten gerne zwischen nativem Transaktionsvolumen, Transaktionsvolumen in USD und großen Transaktionen.
Während das native Transaktionsvolumen uns Aufschluss über die Nachfrage nach Transaktionen über ein Blockchain-Netzwerk gibt, sehen wir den Wert dieser Transaktionen im Transaktionsvolumen in USD. Dieses in Fiatwährungen benannte Transaktionsvolumen wird zudem benötigt, um verschiedenste Verhältnisse auf Basis des Transaktionsvolumens zu berechnen.
Die großen Transaktionen (Gegenwert pro Transaktion von mindestens 100.000 USD) wiederum geben uns einen Einblick in die Welt der kapitalstarken Marktteilnehmer (Smart Money). Dies gibt einen einzigartigen Einblick in die Aktivitäten von u.a. institutionellen Investoren.
Daten zu den HODLern
Es dürfte keine Überraschung sein, dass Daten zur Haltedauer von Coins und Token bzw. dem "Alter" von bewegten Coins und Token eine tragende Rolle in der On-Chain Analyse spielen. Vor allem die durchschnittliche Haltedauer, deren Verlauf und deren Zusammensetzung auf Seite der verschiedenen Investorengruppen ist hier von Bedeutung.
In den meisten Fällen können Langzeitinvestoren als Individuen bezeichnet werden, welche ihre Investments für mindestens ein Jahr oder länger halten. Kurzzeitinvestoren werden typischerweise mit einer Haltedauer von einem Monat bis zu einem Jahr assoziiert, während Trader in der Regel weniger als einen Monat lang halten.
Alleine aus dem Verlauf der Anzahl der Langzeitinvestoren (und der Gesamtmenge in deren Händen) können klare Überzeugungen (oder fehlende Überzeugungen) gegenüber der langfristig positiven Entwicklung von Kryptowährungen erkannt werden.
Steigende Zahlen an Langzeitinvestoren mit zunehmender Gesamtmenge in deren Händen verknappt das zirkulierende Angebot und ist demnach ein bullisches Zeichen.
Nimmt die Anzahl der Langzeitinvestoren hingegen ab und die Menge an Kurzzeitinvestoren und Tradern zu, spricht das eher für nachlassende Überzeugung und/oder Distribution.
Daten aus den Derivatemärkten
Zugegeben: Daten aus den Derivatemärkten sind keine On-Chain Daten. Aber der zunehmende Einfluss von Futures und Optionen auf die Kryptomärkte lässt keinen Weg um diese Daten herum zu, wollen wir Kryptowährungen via On-Chain Analyse bewerten.
Zu den wichtigsten Daten in dieser Kategorie zählen die Gesamtsumme an offenen Handelspositionen (Open Interest), die sogenannten Funding Rates in den Perpetual Futures und das Handelsvolumen.
Der Open Interest (OI) beschreibt die Gesamtsumme, welche in offenen Handelspositionen steckt. Allerdings lässt diese Metrik keinerlei Richtungsdeutung zu. Wir wissen durch den OI alleine nicht, ob die Marktteilnehmer eher bullisch oder bärisch sind.
Hierbei helfen dann die Funding Rates. Diese regulären Gebühren in den Perpetual Futures (Futures-Kontrakte ohne Lieferdatum) können positiv oder negativ sein. Demnach geben diese Raten Auskunft über bullisches oder bärisches Sentiment und über extreme Sentiments.
Das Handelsvolumen in den Futures und Optionen ist dann die dritte wichtige Metrik aus der Kategorie der Daten der Derivatemärkte. Es gibt Aufschluss über das Gesamtinteresse an den Derivaten einer jeweiligen Kryptowährung.
Die wichtigsten Unterschiede Chart- und Fundamentalanalyse
Die On-Chain Analyse ist eine einzigartige Verbindung aus verschiedenen Analysemethoden. Zunächst ist festzuhalten, dass die Daten von Blockchain-Netzwerken grundsätzlich fundamentaler Natur sind. Das Vorgehen der On-Chain Analyse gleicht in vielen Bereichen dann auch der Fundamentalanalyse, wobei der Fokus klar auf quantitativen Daten liegt.
Die On-Chain Analyse verabschiedet sich auch von der Markteffizienzhypothese und übernimmt viele Erkenntnisse der Verhaltensökonomie und dem Unterbereich Behavioral Finance. Hier steht die individuelle Psychologie der Investoren im Zentrum.
Die Analyse selbst stützt sich dann aber auf die Grundlagen und Prämissen der Chartanalyse, allerdings ohne die Annahme, dass alle verfügbaren Informationen stets im Preis enthalten seien. Allerdings wird mit Unterstützung und Widerstand, als auch Trends gearbeitet.
Chancen und Kritik: Fazit zur On-Chain Analyse
Die On-Chain Analyse bietet einen umfangreichen Einblick in das größere und kleinere Umfeld von Kryptowährungen, basierend auf Daten aus den Blockchain-Netzwerken selbst.
Die Analysemethode ist am ehesten mit der quantitativen Makroanalyse aus der Wirtschaft zu vergleichen. Denn On-Chain Daten sind unter dem Strich die Wirtschaftsdaten von Kryptowährungen.
Während die klassische Fundamentalanalyse bei Kryptowährungen schnell an ihre Grenzen stößt, glänzt die On-Chain Analyse genau hier. Dafür beschränkt sich die On-Chain Analyse aber auch auf Kryptowährungen und kann bspw. nicht zur Bewertung von Aktien oder Edelmetallen herangezogen werden.