- In den letzten Wochen wurde Toncoin (TON) als einer der Überflieger des Kryptomarktes gefeiert, doch in den letzten 24 Stunden verliert der Token plötzlich knapp 30 Prozent seiner Marktkapitalisierung.
- Der Preis blieb unterdessen stabil - wie kann das sein? Ein versehentlicher Fehler oder doch kalkuliertes Aufbessern der eigenen Metriken?
- Toncoin scheint aus dem Thema keine große Sache machen zu wollen, sodass die News nur kurz in einem Telegram-Chat erwähnt wurde, während das Projekt sich auf X und seiner Website eher bedeckt hält.
TON rutscht über Nacht von Rang 6 auf 11 der größten Kryptowährungen ab
Toncoin (TON) gehört zu den größten Gewinnern des laufenden Jahres. Seit dem 1. Januar 2024 stieg der Token um insgesamt über 180 Prozent, zog vorbei an bekannten Projekten wie Chainlink, Avalanche, Cardano und Dogecoin und katapultierte sich damit geradewegs in die Top 10 der größten Kryptowährungen.
Ein wahrlicher Bilderbuchchart, der auch in den letzten Tagen keine Anzeichen von Schwäche offenbart. Wie einige findige Marktbeobachter offenbarten, könnte es sich jedoch lohnen, einen tieferen Blick auf die Metriken zu wagen.
So schrieb zum Beispiel der Chart-Analyst Sssebi gestern in einem X-Post:
»Ich habe euch gesagt, dass mit $TON etwas nicht stimmt.
Seine Marktkapitalisierung ist gerade stark gesunken und er ist aus den Top 10 herausgefallen.«
Und tatsächlich, der Rückgang der Marktkapitalisierung war enorm. Laut den Krypto-Datenanbietern CoinMarketCap und CoinGecko verlor Toncoin gestern mit nur einem Fingerschnippen knapp 30 Prozent seiner Marktkapitalisierung - dies entspricht knapp 7 Milliarden US-Dollar.
Im Fall von TON blieb der Kurs jedoch stabil und stieg sogar leicht um knapp 2,08 Prozent, wie kann das sein?
Während sich das Projekt auf seinem offiziellen X-Account sowie auch auf der eigenen Website bedeckt hält, meldet es sich in einer kurzen Telegram-Nachricht zu dem Vorfall:
»Das zirkulierende Toncoin-Angebot wurde auf Datenaggregatoren (CoinGecko, CoinMarketCap und Tontech.io) aktualisiert, um es an die von CoinGecko beschriebene Branchenpraxis anzupassen.«
Wie sich herausstellte, inkludierte Toncoin mehrere Bestände gesperrter Token in seinen Angaben gegenüber Datenaggregatoren über das umlaufende Token-Angebot. So wurden unter anderem gesperrte Token aus dem "TON Believers Fund" sowie noch nicht freigegebene Bestände von "Telegram" und "The Open Network Foundation" so behandelt, als wären sie bereits frei am Markt verfügbar.
Durch dieses Vorgehen zeigten Datenaggregatoren eine knapp 7 Milliarden überhöhte Marktkapitalisierung für Toncoin an, was es dem Projekt erst ermöglichte, in die Top 10 der größten Kryptowährungen vorzudringen. Dadurch erhöhte sich die mediale Präsenz für das Projekt massiv und neue Investoren wurden angelockt.
Betrugsversuch oder unwissentlicher Fehler?
Diese Frage lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend klären, aber so oder so lässt der Vorfall die Alarmglocken schellen und verdeutlicht eine große Schwäche des Kryptomarktes, welche es schleunigst in den Griff zu bekommen gilt.
Toncoin ist bereits seit August 2021 auf CoinMarketCap gelistet. Da scheint es schon ein wenig merkwürdig, dass erst jetzt auffällt, dass die Berechnung der Marktkapitalisierung fehlerhaft ausfällt.
Weiter ist von einem Projekt, welches bereits seit mehreren Jahren am Markt aktiv ist, zu erwarten, dass es sich durchaus über das Vorgehen sowie die üblichen Bewertungskriterien der Datenaggregatoren bewusst ist.
Könnte es sein, dass führende Entitäten hinter Toncoin wissentlich die Marktkapitalisierung des Tokens aufgebessert haben? Auszuschließen ist das sicher nicht, auch wenn zu diesem Zeitpunkt nur Vermutungen angestellt werden können.
Der Fall Toncoin verdeutlicht dabei aber ein größeres Krypto-weites Problem. Es fehlt an Bewertungsstandards und Vergleichskriterien. So lassen sich Metriken wie in diesem Fall Marktkapitalisierung oder in anderen Fällen die Transaktionsgeschwindigkeit je nach Zählweise künstlich aufbessern und Investoren haben kaum eine Möglichkeit auf verlässliche Fundamentaldaten zuzugreifen.
Der pseudonyme Kryptoanalyst ADA Whale entlud erst heute seine Frustration über die derzeitige Situation in einem ausführlichen X-Post und ging dabei direkt auf das Toncoin-Debakel ein:
»Die Rankings, auf die sich die Kryptowirtschaft verlässt [...] (insbesondere CoinGecko und CoinMarketCap), sind ein Chaos und spiegeln nicht wirklich etwas Sinnvolles wider. [...] Wie wir gestern bei „Toncoin“ gesehen haben - einem neuen VC-Liebling, der vor einiger Zeit mutig in die Top 10 aufstieg und plötzlich 7 Milliarden seiner Marktkapitalisierung einbüßte, um wieder herauszufallen - sind die Statistiken, die diese Ranglisten untermauern, nicht gerade solide.«
Auch wenn der Kryptomarkt immer mehr an Relevanz gewinnt und weiter in den Mainstream vordringt, gilt es nach wie vor einige Hürden zu überwinden, um das Thema endgültig salonfähig zu machen.
Mit Blick auf TON dürfte es in den nächsten Wochen spannend werden zu beobachten, ob und wie Regulierungsbehörden à la SEC den Vorfall bewerten. Bisher zeigen sich Investoren unbeeindruckt und der Kurs hält weiter stabil - ob dies auch in Zukunft so bleibt, darf jedoch durchaus angezweifelt werden.